Sonntag, 16. April 2017

Woran willst du zweifeln? (Osternachtansprache) hl

Guten Morgen, ihr Freunde der Osternacht,

schön, dass sich jedes Jahr aufs Neue so viele zu so früher Stunde aufmachen, um die Osternacht zu feiern. Ja, dieser Gottesdienst hat etwas. Er ist ein besonderes Erlebnis und dann gibt es ja noch anschließend das leckere Osterfrühstück.
Aber jetzt einmal Hand aufs Herz: glaubst du eigentlich, was wir in der Osternacht feiern? Glaubst du dass Jesus auferstanden ist von den Toten und auch du einmal auferstehen wirst ins ewige Leben?
Wir haben das schon zahllose Male im Glaubensbekenntnis so gesagt. Aber ob wir das, was wir sagen, auch glauben, steht auf einem anderen Blatt.
Viele, sehr viele in unserem Land, ja sogar in unserer Kirche glauben das nicht. Sie zweifeln an der Auferstehung. Ich kann das gut verstehen. Spricht doch eigentlich unsere ganze Erfahrung, spricht doch unser Verstand und unsere Vernunft dagegen. Aber wenn wir nur das für wahr hielten, was wir im wahrsten Sinn des Wortes begreifen können, bräuchten wir sowieso nicht zu glauben.
Was wäre dann zum Beispiel mit der Liebe? Können wir die begreifen? Können wir die beweisen? Dass mich ein anderer liebt, kann er mir nicht beweisen. Das muss ich ihm glauben.
Und so gibt es noch viel mehr Dinge, die ich nicht beweisen, sondern nur glauben kann. Ob das mit der Auferstehung auch so ist?
Ich mache dir heute Morgen einen Vorschlag und frage dich: was ist dir lieber, zweifelst du lieber am ewigen Tod oder zweifelst du lieber an der Auferstehung zum ewigen Leben? Jeder kann sich das aussuchen, woran er zweifeln möchte. Ich für meinen Teil habe mich entschieden, am Tod zu zweifeln und dem Leben zu vertrauen. Mir gefällt das besser als andersherum. Aber ich zweifle nicht am Tod, weil ich gute Gründe dafür hätte, sondern weil ich an Gott glaube, der das Leben gibt und nimmt und das, was er geschaffen hat, zu einem guten Ende bringt. Ja, das glaube ich.
Und darum heißt Ostern für mich: Ich glaube nicht an die Finsternis sondern ans Licht. Nicht an die Gleichgültigkeit, sondern an die Liebe. Nicht an die Gewalt, sondern an die Sanftmut. Nicht an den Geiz, sondern an die Großzügigkeit. Nicht an den Streit, sondern an die Versöhnung. Nicht an die Hartherzigkeit, sondern an die Barmherzigkeit. Nicht an den Krieg, sondern an den Frieden. Ich glaube nicht an den Tod, sondern an das Leben. Ich glaube nicht an den Untergang, sondern an die Auferstehung. Ich glaube nicht an mich, sondern an Gott.
Damit geht es mir besser als andersherum. Dieser Glaube macht mich zuversichtlich trotz aller schlechten Nachrichten, die wir Tag für Tag hören.

Seit Jahrhunderten wird die Auferstehung ins ewige Leben mit einer Geburt verglichen. Ich habe mir dazu eine kleine Geschichte ausgedacht, die ich zum Schluss vortragen möchte. Sie heißt: „Das Gespräch der Zwillinge im Mutterleib“
Da sagt der Zwilling Ben zum Zwilling Tim: „Ziemlich eng hier. Findest du nicht auch?“
Tim: „Ja, Zeit, dass wir endlich rauskommen.“ 
Ben: "Raus? Meinst du, es gibt überhaupt ein Draußen, oder ist das, was hier ist, alles was ist?"
Tim: "Ja, ich glaube, es gibt eins."
Ben: "Ha, glauben! Glauben heißt nicht wissen. Ich glaube es nicht. Schließlich ist noch niemand von da draußen zu uns gekommen."
Tim:  "Aber warum soll es das Draußen nicht geben? Wenn es ein Hier gibt, gibt's auch ein Dort und wenn es ein Jetzt gibt, gibt's auch ein Dann. Und wenn’s ein Drinnen gibt, gibt’s auch ein Draußen."
Ben: "Was du nicht sagst. Das klingt mir zu kompliziert. Ich will dich etwas anderes fragen: Gibt es so etwas wie eine Mutter?"
Tim: "Du stellst vielleicht Fragen! Warum soll es die Mutter nicht geben?"
Ben: "Warum? Weil sie noch keiner von uns gesehen hat, ist doch ganz einfach!"
Tim: "Ja, aber wenn es die Mutter nicht gäbe, was hält uns dann am Leben, was nährt uns und trägt uns?"
Ben: "Was weiß ich? Es ist halt so, wie es ist."
Tim: "Dann freust Du Dich gar nicht, auf die Welt zu kommen und deine Mutter zu sehen?"
Ben: "Ich mich freuen? Wieso denn, wenn´s doch gar kein Draußen und keine Welt und keine Mutter gibt!"
HL Drei Tage später werden beide geboren. Die Geburt ist wie ein Schock. Sie müssen ihr vertrautes Zuhause verlassen und werden durch einen engen Kanal ins Freie gepresst. Sie meinen schon, das sei das Ende. Aber es ist der Beginn des Lebens in den Armen ihrer Mutter. Und der eine Zwilling sagt zum anderen:
Ben: "Wahnsinn, was es nicht alles gibt!"

Amen

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