Sonntag, 26. Februar 2017

Das Problem der Tüchtigen (Predigt) hl

Liebe Gemeinde,

wir Deutsche gelten in der Welt als besonders tüchtig. Wir werden dafür bewundert, aber leider nicht geliebt. Denn die Tüchtigen gelten schon in der Schule als Streber, als die, die sich hervortun wollen und mit ihrem Erfolg andere in den Schatten stellen.
Ja, wer tüchtig ist, kann es zu etwas bringen. Das sagt auch das Sprichwort: „Schaffe, schaffe, Häusle baue“, womit man die emsigen Schwaben charakterisiert. Doch die Tüchtigen stehen auch in der Gefahr, andere und ebenso sich selbst zu überfordern. Dann geht der Schuss nach hinten los. Dann ist das Klima des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens belastet oder man ruiniert damit seine Gesundheit. Denn die Tüchtigen machen anderen und sich selbst oft viel Druck. Kein Wunder, dass dann viele gestresst sind. Ja, das Glück ist mit dem Tüchtigen, aber wenn er‘s übertreibt, dann auch das Unglück. Denn was hast du davon, wenn mal auf deinem Grabstein steht: ‚Er war sehr tüchtig, doch er versäumte zu leben.‘
Hört zu diesem Thema das heutige Predigtwort aus dem Evangelium bei Lukas, im Kapitel 10:
Jesus kam mit seinen Jüngern in ein Dorf, wo sie bei einer Frau aufgenommen wurden, die Martha hieß. Maria, ihre Schwester, setzte sich zu Jesu Füßen hin und hörte ihm aufmerksam zu. Martha aber war unentwegt mit der Bewirtung ihrer Gäste beschäftigt. Schließlich kam sie zu Jesus und fragte: "Herr, siehst du nicht, dass meine Schwester mir die ganze Arbeit überlässt? Kannst du ihr nicht sagen, dass sie mir helfen soll?" Doch Jesus antwortete ihr: "Martha, Martha, du bist um so vieles besorgt und machst dir so viel Mühe. Nur eines aber ist wirklich wichtig und gut! Maria hat sich für dieses eine entschieden, und das kann ihr niemand mehr nehmen."
Mir kommt das bekannt vor. Wenn ich Seelsorgebesuche gemacht habe, dann hat mir die Hausfrau manchmal aus Höflichkeit alles Mögliche zu essen und zu trinken angeboten. Aber ich war nicht zum Essen gekommen. Und darum sagte ich bisweilen: „Lieber als ein Wurstbrot wäre mir, wenn Sie sich jetzt zu mir setzen und mir Ihre Zeit schenken würden. Dann könnten wir miteinander ein bisschen reden.“ Ich hatte schon verstanden, dass man es gut mit mir meinte. Das wusste ich durchaus zu schätzen. Aber bei meinen Besuchen war mir eben nicht das Essen wichtig, sondern die Begegnung, das Gespräch. Und ich hoffe, dass das auch eingesehen wurde.
Wenn Jesus einen Besuch machte, ging es noch um etwas anderes als um ein Gespräch. Da brachte er sozusagen Gott mit. Und aus dem, was er sagte, konnten die Menschen spüren, wie sie von Gott angenommen und geliebt wurden. Das war sein Gastgeschenk. Die Zeit, die er mit ihnen teilte, war Gotteszeit, ein besonderer Augenblick der Gnade. Und genau das wollte er auch Martha und Maria schenken, den beiden Schwestern aus unsere biblischen Geschichte.
Maria hat sich beschenken lassen. Martha aber hat über all ihrer Tüchtigkeit gar nicht gemerkt, was jetzt dran ist, nämlich einfach mal die Geschäftigkeit sein zu lassen und sich wie ihre Schwester zu Jesus zu setzen, in Gottes Gegenwart, und sich beschenken zu lassen statt mit den Töpfen zu klappern.
Ja, Martha war zweifelsohne tüchtig. Sie hoffte, von Jesus dafür gelobt zu werden und erwartete, dass er ihre Schwester Maria zurechtweise, weil sie nicht in der Küche half, um ihn zu bewirten. Und darum fiel sie aus allen Wolken, als Jesus nun sie kritisierte und ihre Schwester lobte. Ob sie daraus gelernt hat, darüber schweigt die Bibel.
Warum nur, liebe Gemeinde, ist es anscheinend so schwer zu verstehen, dass es bei Gott nicht um unsere Tüchtigkeit geht, nicht darum, lieb Kind zu sein und Fleißkärtchen zu sammeln und auch nicht darum, von ihm für unsere Leistungen gelobt zu werden? Warum ist es so schwer zu verstehen, dass es bei Gott zuallererst darum geht, sich von ihm beschenken zu lassen? Wahrscheinlich deshalb, weil es unter uns Menschen genau umgekehrt ist.
Jesus erzählt noch eine andere Geschichte, in der es um die Grenzen der Tüchtigkeit geht. Ihr kennt sie alle. Es ist die Geschichte vom ‚Verlorenen Sohn‘. Dieser hatte sich sein Erbe auszahlen lassen und ist von zu Hause ausgezogen. Nachdem er das Geld mit Partys und Frauen durchgebracht hatte, ist er wieder nach Hause zu seinem Vater geschlichen in der Hoffnung, bei ihm als Knecht arbeiten zu können, um nicht zu verhungern zu müssen.
Und der Vater, als er ihn kommen sah, was tat er? Hat er seinen Sohn erst einmal danach gefragt, wie erfolgreich er war? Hat er Leistungsnachweise sehen wollen, Zeugnisse, aus denen hervorgeht, wie tüchtig er war? Nein. Einzig und allein darauf kam es ihm an, dass er seinen Sohn wiederhatte und in die Arme schließen konnte. Alles andere war demgegenüber unbedeutend. Da war er also wieder zurück, der Versager, und sein Vater rennt auf ihn zu und drückt ihn an sich und feiert mit ihm ein Fest.
Aber da war noch ein anderer Sohn, der zu Hause geblieben war. Der war richtig tüchtig, hat hart gearbeitet und den Betrieb am Laufen gehalten. Der war sauer, als er sah, wie sein Vater den Bruder sofort wieder in die Familie aufnahm als sei nichts gewesen. Er hätte es gerne gesehen, wenn der Vater seine Tüchtigkeit gelobt und die Liederlichkeit des Bruders verdammt hätte. So macht man das doch. Ja, so macht man das unter uns Menschen.
Doch Jesus erzählt mit diesem Gleichnis von Gott und sagt: Hört nur gut zu, so wie dieser Vater ist, so ist Gott. Er fragt nicht danach, was du alles geleistet hast, wie tüchtig du warst, wie anständig, wie fromm. Er will nur, dass du wieder bei ihm bist, damit er sich mit dir zusammen freuen und dir seine Liebe schenken kann.
Das, liebe Freunde, ist die gute Nachricht, dass Gott keinen Druck macht, dass er uns nicht mit seinen Erwartungen stresst, dass er uns nicht mit Befehlen überfordert. Was haben sich Menschen nicht abgestrampelt, um Gott zu gefallen, haben geopfert und gefastet, haben Wallfahrten unternommen und Gelübde getan, haben gespendet und gedient. Und weil sie so geschäftig waren, haben sie die gute Nachricht nicht vernommen, die da heißt:
‚Du bist doch schon mein Kind. Du musst dir meine Liebe nicht mehr verdienen. Ich schenke sie dir, denn du gehörst zu mir. Du brauchst auch mir gegenüber kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn du nicht so gelebt hast, wie es sich für mein Kind gehört. Das hat mein anderer Sohn, das hat Jesus für dich längst in Ordnung gebracht. Komm nur zu mir, wenn du mich brauchst. Ich bin für dich da.‘
Nein, nicht du musst Gott irgendetwas bringen, kein Opfer oder sonst irgendwelche Gaben. Was sollte ich ihm denn schon geben, von dem ich doch alles habe?
Doch eine Sache gibt es schon, die ich ihm schenken kann. Das ist meine Zeit. Und das, liebe Freunde, ist nicht nur für Gott ein wertvolles Geschenk, sondern auch für meine Mitmenschen. Dass ich mir Zeit für sie nehme, für meine Kinder, für den Partner, für Freunde oder auch für den Paketboten und ein paar freundliche Worte mit ihm wechsle. Das ist auf die Dauer mehr wert als ein materielles Geschenk.
Gott schenke ich Zeit, wenn ich zum Beispiel einen Gottesdienst besuche. Doch zugleich schenkt er auch mir seine Zeit, weil er dann zu mir spricht durch ein Lied, ein Bibelwort oder auch die Predigt.
Gott schenke ich vor allem Zeit, wenn ich bete und mit ihm rede. Doch zugleich schenkt er mir dann auch seine Zeit, wenn nicht immer nur ich rede, sondern, wie Maria bei Jesus, einfach mal Ruhe gebe, still werde und zuhöre, was er mir zu sagen hat. Er hat ja viele Möglichkeiten, mir etwas zu sagen, nicht nur durch Lieder, Bibelworte und Predigten. Er kann mir auch mit der feinen Stimme meines Gewissens etwas sagen oder durch ein Kind oder die Schneeglöckchen, die jetzt nach Frost und Eis wieder blühen.
Es reicht schon, wenn ich bei den Menschen tüchtig sein muss. Gott braucht das nicht. Er legt mir nicht noch eine weitere Last auf, sondern sagt durch Jesus: „Komm zu mir, der du von deinem Menschenleben gestresst und erschöpft bist. Ruh dich aus bei mir. Gib mir deine Sorgen und Lasten. Ich gebe dir dafür meinen Frieden und neue Kraft.“ Amen  HL

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