Sonntag, 3. Juli 2016

Das David-Prinzip hl

Predigt von Hans Löhr im Lichtblickgottesdienst
  
Liebe Freunde,

in dieser Predigt geht es um einen Schuss nach hinten, um einen Riesen, um den 14. August 1994, um einen Stein, der in deinem Leben vielleicht noch mal eine große Rolle spielen kann und um Isländer,

Fangen wir mit Otto an. Mit ihm war ich schon im Kindergarten befreundet. Als wir so um die 10 Jahre alt waren, haben wir mit Perlonstrümpfen Zielschießen geübt. Woher wir die Strümpfe hatten, will ich gar nicht mehr so genau wissen. Jedenfalls stopften wir in die Perlonstrümpfe zwei Hände Sand und schleuderten sie gegen die Wand eines Lagerhauses. Während des Krieges waren darin Munitionskisten gestapelt. Jetzt also schossen wir von außen darauf, zumindest hatten wir das vor. Otto fing an. Er wirbelte den Strumpf mit dem Sand ein paar Mal heftig über den Kopf. Doch bevor er ihn loslassen konnte traf er sich selbst damit an der Stirn. Da hat‘s ihm die Beine weggezogen und er fiel auf den Hintern. Gott sei Dank ist nichts passiert. Er war nur etwas benommen. Der Sand hat keinen Schaden angerichtet. Ich aber habe so gelacht, dass ich erst mal selber nicht mehr schleudern konnte. Dieser Schuss ging im wahrsten Sinn des Wortes nach hinten los.

Also so darf man‘s nicht machen, wenn man mit einer Schleuder schießen will. Da hat es David schon besser gemacht. Ihr alle kennt die Geschichte, wie er damit den Riesen Goliath erledigt hat. Bemerkenswert ist das eklatante Missverhältnis. Auf der einen Seite der junge und noch kleine David, vielleicht 12 Jahre alt wenn überhaupt, ein Hirtenjunge, eine Schleuder und ein Stein. Auf der anderen Seite Goliath, eine Hühne, wie die Bibel sagt, militärisch ausgebildet und kampferprobt, angetan mit einer schweren Rüstung und bewaffnet mit Schwert und Lanze. Die ganze israelitische Armee unter König Saul zitterte vor ihm, ließ sich von ihm verhöhnen und es sich gefallen lassen, wie er ihren Gott schmähte.
Keiner traute sich mit ihm zu kämpfen. Alle hatten sich mit ihrer Niederlage abgefunden. Nur der kleine David nicht. Und so kam es zum berühmtesten Zweikampf der Weltgeschichte. Wie er ausging, weiß noch heute jedes kleine Kind zumindest da, wo Religion in der Familie noch eine Rolle spielt.
Besonders bemerkenswert ist der Satz, mit dem David den Goliath entgegengetreten ist. Er sagte: »Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Spieß, ich aber komme zu dir im Namen Gottes, den du verhöhnt hast. Heute wird dich der HERR in meine Hand geben.« Und der Schuss aus seiner Schleuder ging nach vorne los, traf Goliath an der Stirn und fällte ihn vor aller Augen. Das war der Sieg der Israeliten über die Philister. Sie flohen in Panik, als sie sahen, dass ihr starker Held erledigt war.

Aber ich spreche zu euch heute nicht in erster Linie über David und Goliath, sondern nehme diese Geschichte nur als Beispiel für das Bibelwort, das dieser Predigt zu Grunde liegt. Es steht im ersten Brief des Johannes im Kapitel 5 Vers 4 und heißt: »Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.«
Jemand, der mit dem Glauben nichts anzufangen weiß, lacht über dieses Wort wie Goliath zunächst über David gelacht hat. ‚Ihr Christen nehmt aber den Mund ganz schön voll. Mit eurem Glauben, der heutzutage sowieso kaum noch eine Rolle spielt, wollt ihr die Welt überwinden? Das ist doch lächerlich!‘

Was würdest du denn einem solchen Menschen entgegnen? Könntest du ihm voller Überzeugung antworten und sagen: ‚Ja, das kann ich. Mit meinem Glauben kann ich die Welt überwinden; denn mein Glaube ist der Sieg!‘ Ich denke mir, dass sich der eine oder andere hier schon schwertun würde mit einer Antwort auch wenn er von sich sagen kann, dass er glaubt. Aber wie ist dann dieses Bibelwort zu verstehen?

Jetzt kommen der 14. August 1994 und die Isländer ins Spiel. Wer von euch ist Fan von Bayern München? Bitte mal die Hand hoch. Keine Angst, die Clubfans hier dürfen euch nichts tun. Erinnert ihr euch an jenes Datum? Die größte Schmach eures Vereins. Es ging um die Vorrunde des DFB-Pokals. Damals hat der fränkische Dorfverein Vestenbergsgreuth den amtierenden deutschen Meister Bayern München sensationell mit 1:0 besiegt und aus dem Pokalwettbewerb geworfen. Das war auch so eine David-Goliath-Geschichte wie die vom letzten Dienstag, als bei der Europameisterschaft in Frankreich die Isländer die wesentlich stärkeren Engländer besiegt und nach Hause geschickt haben. Und am Freitag haben es ihnen die Waliser nachgemacht und Belgien aus dem Wettbewerb gejagt. Von solchen David-Goliath-Geschichten lebt der Sport. Solche Überraschungen begeistern, wenn Klein gegen Groß gewinnt. Demgegenüber ist das Ergebnis des über weite Strecken eher langweiligen Spiels Deutschland gegen Italien von gestern Abend keine Sensation.

Aber hier geht es jetzt um das Bibelwort vom Glauben, der siegt und die Welt überwindet. Das gilt auch für die Spieler der drei genannten kleinen Mannschaften, die gegen übermächtige Gegner gewonnen haben. Ihre Siege waren nur möglich, weil sie an ihre Chance geglaubt haben, weil sie sich nicht von vornherein geschlagen gegeben haben, weil sie in scheinbar auswegloser Situation trotzdem bis zum Umfallen gekämpft haben und schließlich dafür mit einem nicht für möglich gehaltenen Sieg belohnt worden sind.
Diese Fußballer haben an sich selbst geglaubt und Großes erreicht. Und du, der du an Gott glaubst, kannst du nicht auch Großes, vielleicht sogar noch Größeres erreichen?

Denk an David, der sich nicht auf die eigene Kraft verlassen hat, der nicht einmal an sich selbst geglaubt hat, sondern ausschließlich an Gott und sich ganz und gar auf ihn verlassen hat. Ich weiß nicht, ob er für dich ein Vorbild ist. Für mich schon. Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich ein David sein will, so oft ein Goliath um die Ecke biegt, um mich zu erschrecken und zu besiegen.
Und so ein Goliath hat viele Namen. Jedes schlimme Ereignis, jede Katastrophe im Leben ist so ein Goliath: Der Verlust eines lieben Menschen durch Trennung oder Tod, ein finanzielles Desaster, ein Unfall, eine schwere Sucht, die Sorge um ein Kind, das auf die schiefe Bahn geraten ist und so weiter. Doch der Goliath, dem viele von uns schon begegnet sind, ist wohl meistens eine bedrohliche Krankheit.

Was willst du all diesen Goliaths sagen, die dich fertig machen und erledigen wollen? Willst du vor ihnen wimmern und jammern? Das wird dir nicht helfen. Willst du dich ergeben oder gleich tot stellen? Das wird dich nicht retten. Aber das kannst du tun: Du kannst deinem Goliath sagen: „Du kommst dir wohl ganz schön groß und mächtig vor. Aber sei auf der Hut. Wir sind zu dritt: Gott, dieser Stein und ich. Gemeinsam werden wir dich besiegen!“

Und dann nimm den Stein auf (HL bückt sich und hebt einen Kieselstein vom Boden auf), das Zeichen deines Widerstands. Und dann sage: ‚Herr, ich gebe jetzt mein Bestes und werde gegen meinen Goliath bis zum Umfallen kämpfen. Und dabei verlasse ich mich drauf, dass du mit mir kämpfst und wir gemeinsam diese böse Macht besiegen.‘ Ja, so kannst du sagen und glauben und kämpfen. Und der eine oder andere von euch hier hat das bestimmt schon mal gemacht und die eine oder andere Schlacht in seinem Leben gewonnen. Nein, sich ergeben ist keine Option. Warum soll man sich auch ergeben, wenn man den Schöpfer der Welt auf seiner Seite hat?

Und trotzdem kann ich nicht versprechen, dass wir jedes Mal siegen, wenn wir kämpfen und glauben. Zumindest unseren letzten Kampf in diesem Leben werden wir verlieren. Und vielleicht auch den einen oder anderen Kampf zuvor. Dann kommt es eben doch zur Scheidung oder die Krankheit ist nicht heilbar oder das Kind kriegt die Kurve nicht mehr oder die Arbeitsstelle ist weg und das Haus geht verloren und so weiter. Das alles kommt immer wieder vor, täglich.
Was soll dann das Bibelwort für diese Predigt, in dem es heißt: »Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat?« Ist dann nicht für dich und alle anderen sichtbar, dass du verloren hast?

Äußerlich gesehen, ja. Aber du kämpfst ja noch einen anderen Kampf. Tief in dir ist noch ein anderer Kampfplatz. Da geht es um dein Innerstes, um deinen Wesenskern, um deine Persönlichkeit, um deine Seele. Auch wenn du äußerlich gesehen verloren hast, bist du doch in deinem Innersten noch nicht besiegt.

Als Dietrich Bonhoeffer zum Jahreswechsel 1944 auf 1945 in seiner Todeszelle saß, hat er die weltbekannten Verse gedichtet: »Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.«
Ja, äußerlich gesehen hat Bonhoeffer verloren. Drei Monate später, am 9. April 1945, wurde er von den Nazis im KZ Flossenbürg gehenkt. Als er nackt zum Galgen hinaufstieg, sagte er: »Das ist das Ende; für mich der Beginn des neuen Lebens.« Alles konnten ihm die Schergen nehmen: Die Freiheit, den Kontakt zu seinen Lieben, die Kleider, das Leben. Aber die Seele tief in seinem Inneren, an die kamen sie nicht heran. Dort, auf diesem Kampfplatz, hat Dietrich Bonhoeffer mit seinem Glauben die Welt der Nazis überwunden und besiegt.
Als meine Vorfahren vor etwa 250 Jahren aus ihrer Heimat bei Salzburg wegen ihres evangelischen Bekenntnisses vertrieben worden sind, da konnte man ihnen alles nehmen: Die Heimat, ihre Höfe, das Vieh, den ganzen Besitz, ja sogar die Kinder. Aber ihren Glauben konnte man nicht nehmen. Den haben sie mitgebracht hierher nach Franken und wieder neu angefangen.
Als Pfarrer habe ich an dem einen oder anderen Sterbebett gestanden. Manche sind mit vor Angst weit aufgerissenen Augen gestorben. Aber andere konnten getrost Abschied nehmen. Die haben an Gott festgehalten und mit ihm an der Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird.

Ja, diese Welt ist eine schöne Welt, solange es uns gut geht. Aber irgendwann ist sie auch für jeden von uns eine Goliath-Welt. Dann hebe den Stein auf und sage zu ihr, wenn sie dich unterkriegen, ja zerstören will, sag ihr: „Du magst groß und mächtig sein. Aber sei auf der Hut. Wir sind zu dritt: Gott, dieser Stein und ich. Gemeinsam werden wir dich besiegen!“
Liebe Freunde, Gott liebt die Davids. Und damit du das nicht vergisst, damit du nicht aufgibst, sondern in seinem Namen jede Herausforderung annimmst, was sie auch sei, such dir einen solchen Stein. Lege ihn auf deinen Nachttisch oder steckt ihn in deine Tasche, wenn du dorthin musst, wo es schwierig wird: in ein Konfliktgespräch, vor Gericht oder ins Krankenhaus zu einer Operation... Und dann nimm ihn in die Hand und sage zu dir: „Wir sind zu dritt. Wir überwinden.“

Amen

Hier die Predigt im Original zum Nachhören mit dem Schlacht- und Siegesruf der Isländer wie er bei den Mittelfranken klingt..

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