Sonntag, 12. Juli 2015

Auf dem Wasser gehen (Predigt) hl

Predigt über Matthäus 14, 22-33 von Hans Löhr

Liebe Gemeinde,

heute geht es in der Predigt darum, was dir hilft, auf dem Wasser zu gehen, auf dem Wasser deiner Sorgen und deiner Angst, deiner Probleme und deiner Enttäuschungen.
Jedem von uns steht das Wasser ab und zu bis zum Hals. Manchmal ist es die Flut einer schweren Krankheit, wie bei jener Frau, die ich in einem Krankenhaus besucht habe und die wegen eines Tumors operiert worden ist. Bis vor kurzem war sie kerngesund und nun ist sie todkrank, dabei ist sie erst in der Lebensmitte. Als sie mir von ihrer Krankheit erzählte, stand ihr die Angst buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Und nun liegt sie in ihrem Bett, hin und hergerissen zwischen Hoffen und Bangen…
Jedem von uns steht das Wasser ab und zu bis zum Hals. Manchmal ist es die Flut eines seelischen Leidens, weil du vielleicht Angst haben musst um deine Lieben, weil du schwermütig bist oder von anderen tief enttäuscht.
So oder so steigt die Gefahr, dass du aus dieser Flut nicht mehr herausfindest und in deinem Leiden ertrinkst.
Manchmal steigt diese Flut langsam, weil zum Beispiel die gesundheitlichen Probleme immer mehr zunehmen. Manchmal kommt ein Unglück völlig unvorhergesehen über dich wie über die Opfer des Amoklaufs und ihre Angehörigen am letzten Freitag.
Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Gott sagt zu dir in der Bibel: »Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!  Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ertränken sollen. Denn ich bin der HERR, dein Gott.« (= Wochenspruch)
Jedem von uns steht das Wasser ab und zu bis zum Hals. Jeder muss mal durchs Wasser gehen, wie die Bibel sagt. Das gehört zum Leben in dieser Welt dazu.
Auch du warst schon mal in solchen bedrohlichen Wassern und bist darin nicht umgekommen. Dein Gott war bei dir und er wird auch künftig bei dir sein.
Ich will dazu eine Geschichte aus der Bibel vorlesen, in der Petrus Angst hatte, zu ertrinken und dann doch nicht ertrunken ist. Sie steht im Evangelium des Matthäus im Kapitel 14. Da heißt es:
Gleich danach befahl Jesus seinen Jüngern, in ihr Boot zu steigen und an das andere Ufer des Sees vorauszufahren. Er selbst blieb zurück, um die Leute zu verabschieden.  Dann ging er allein auf einen Berg, um zu beten. Es wurde Nacht.  Das Boot war noch weit draußen auf dem See, da brach ein schwerer Sturm los. Die Jünger konnten kaum noch steuern.  In den frühen Morgenstunden kam Jesus auf dem Wasser zu ihnen.  Als die Jünger ihn sahen, schrien sie vor Entsetzen, denn sie hielten ihn für ein Gespenst.  Aber Jesus sprach sie sofort an: "Habt keine Angst! Ich bin es doch, fürchtet euch nicht!"  Da rief Petrus: "Herr, wenn du es wirklich bist, lass mich auf dem Wasser zu dir kommen."  "Komm her!", antwortete Jesus. Petrus stieg aus dem Boot und ging Jesus auf dem Wasser entgegen.  Als Petrus aber die hohen Wellen sah, erschrak er, und im selben Augenblick begann er zu sinken. "Herr, hilf mir!", schrie er.  Jesus streckte ihm die Hand entgegen, ergriff ihn und sagte: "Hast du so wenig Glauben, Petrus? Vertrau mir doch!"  Sie stiegen ins Boot, und der Sturm legte sich.  Da fielen sie alle vor Jesus nieder und riefen: "Du bist wirklich der Sohn Gottes!" (HFA)
Wie sagte noch mal Jesus zu Petrus: „Hast du so wenig Glauben, Petrus? Vertraue mir doch!“ Da taucht unwillkürlich die Frage auf: Und wie steht es um deinen und meinen Glauben? Würdest du es wenigstens versuchen, auf dem Wasser deiner Angst und durch den Sturm deiner Sorgen zu Jesus zu gehen oder bleibst auch du wie die übrigen elf Jünger im Boot deines Unglaubens sitzen? Petrus war immerhin noch so mutig und hat es wenigstens versucht, hat das Boot des Unglaubens verlassen und siehe da, er konnte ein paar Schritte über das Wasser gehen. Ein paar Schritte, so weit hat sein Vertrauen auf Jesus gereicht. Und dann hat er einen beinahe tödlichen Fehler begangen. Er sah nicht mehr auf seinen Herrn, er sah auf das Wasser und sah den Sturm, er spürte die Angst und verlor alles Vertrauen – und da begann er zu sinken.
Ich kann Petrus deswegen keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil. Er hatte wenigstens den Mut, das Boot des Unglaubens kurz zu verlassen. Vielleicht wäre ich mit den anderen Jüngern auch sitzen geblieben, hätte mich am Bootsrand oder am Mast festgekrallt, bleich und zitternd vor Todesangst in Erwartung, dass jeden Augenblick das Boot untergehen kann. Doch in Gefahr und größter Not ist es gefährlich, sich nur an den Dingen festzuhalten, die ebenfalls untergehen können, weil sie vergänglich sind. Selbst wenn du schwimmen kannst, verlässt dich doch bald deine Kraft.
Bei dieser Geschichte muss ich an die vielen Menschen denken, die auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Terror und Hunger im Mittelmeer ertrunken. Sie wurdenfür viel Geld von Schleusern in Boote gepfercht, die nicht seetüchtig waren und untergegangen sind. Unter ihnen waren bestimmt auch Christen, die zu Jesus um Hilfe geschrien hatten. Warum mussten sie trotzdem sterben? Ich weiß es nicht. Es ist schrecklich, darüber nachzudenken. Es erschüttert meinen Glauben.
Aber ich weiß etwas anderes, dass von 100 Flüchtlingen 90 die Überfahrt überlebt haben. Ich kann jetzt nur auf die 10 % schauen, die es, aus welchem Grund auch immer, nicht geschafft haben und darüber an Gott zu verzweifeln. Ich kann aber auch auf die 90 % schauen, die es geschafft haben und Gott dafür danken und diese Menschen bei uns willkommen heißen. Oder soll ich zu Gott sagen: „Was geht es mich an, ob diese Menschen ertrinken oder nicht? Sollen sie doch bleiben, wo sie herkommen.“
Aber was ist, wenn sich der Wind auch bei uns wieder mal dreht und wir selbst oder unsere Kinder oder Enkel fliehen müssen? Kann jemand hier dafür garantieren, dass das nicht so kommen wird? Nein. Jeder kommt in eine Notlage, wo er darauf angewiesen ist, dass ihm ein anderer hilft, sei es auf der Flucht oder sei es im Pflegeheim. Und genau da kannst du sie dann wieder treffen, die ehemaligen Flüchtlinge, die bei uns Aufnahme und eine Arbeit gefunden haben und als Pflegekräfte Dienst tun, vielleicht auch mal für dich und mich.
Doch zurück zu Petrus auf dem See Genezareth. Als er nicht mehr auf Jesus sah, sondern auf die Wellen und den Sturm, da verlor er das Vertrauen zu Jesus, da packte ihn die Angst und er begann zu sinken. Eigentlich hatte er doch sein Wort. Hatte er nicht zu Jesus gesagt: »Herr, wenn du es wirklich bist, lass mich auf dem Wasser zu dir kommen." Und hatte Jesus nicht geantwortet: »Komm her!«? Wir alle hier haben doch sein Wort. Zu jedem von uns hat er in der Taufe gesagt: »Komm her, ich bin dein Retter!« Müssten wir dann nicht immer wieder das Boot unseres Unglaubens verlassen und über das Wasser der Angst zu ihm gehen können?
Aber wohl jedem hier geht es so wie Petrus, dass unser Gottvertrauen nicht allzu weit reicht und dann doch wieder Zweifel und Ängste in uns hochkriechen und wir in unserem Leid, in unserer Angst, in unseren Sorgen zu ertrinken drohen. Vielleicht meinen wir in den Augenblicken des Glaubens, dass uns das Wasser schon trägt so wie es wohl Petrus auch gemeint hat. Aber nicht das Wasser trägt, sondern das Vertrauen, das du zu Gott hast. Dieses Vertrauen trägt dich durch die Stürme und hochschäumenden Wellen deines Lebens. Sobald du es aber verlierst, musst du selbst zu sehen, wie du damit klarkommst und nicht untergehst.
Doch nun kommt der letzte Teil unserer biblischen Geschichte. Jesus lässt den kleingläubigen Petrus nicht untergehen so wie er auch dich und mich bis zu diesem Tag immer wieder aus den Wassern unserer Angst und unserer Leidens gezogen hat. So wie es König David im Psalm 18 besingt, wo es heißt: »Die Fluten des Verderbens erschreckten mich. Als mir angst war, rief ich den HERRN an und schrie zu meinem Gott. Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel, und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren.  Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich und zog mich aus großen Wassern.« 
Ja, so ähnlich haben das wohl die meisten von uns hier schon mal erlebt. Gott hat uns nicht ertrinken lassen, obwohl unser Glaube eher noch kleiner ist als der von Petrus war. Und deshalb heißt es in der Geschichte: Weil es Petrus, weil es die anderen Jünger nicht geschafft haben, über ihre Angst hinweg zu Jesus zu kommen, ist er zu ihnen gekommen, hat den Petrus gerettet und ist ins Boot zu den Jüngern gestiegen um dort den Sturm zu stillen, den Sturm der Angst in ihren Herzen. Als sie das erlebt hatten, fielen sie vor ihm nieder und bekannten, dass er Gottes Sohn sei.
Jene Frau, die da im Krankenhausbett liegt und hin und hergerissen ist zwischen Hoffen und Bangen, der die Angst ins Gesicht geschrieben steht, hatte mir früher mal erzählt, dass sie mit dem Glauben nichts anfangen könne. Ich habe sie jetzt trotzdem gefragt, ob es ihr recht sei, wenn ich für sie beten würde. Es war ihr recht. Und dann habe ich gebetet. Ob ihr das Gebet geholfen hat? Ich weiß es nicht. Aber darauf vertraue ich, dass unsere Gebete die Brücken sind, auf denen Jesus zu uns kommt und in unser Boot des Kleinglaubens steigt, um uns zu trösten, zu stärken und zu retten. Amen

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