Sonntag, 19. April 2015

Das Vaterunser hl

Predigt von Hans Löhr im Lichtblickgottesdienst am 19. April 2015

Liebe Freunde,

kein Gebet wurde in den letzten 2000 Jahren von Christen öfter gebetet als das Vaterunser. Auch jetzt, in diesem Augenblick, beten Christen in aller Welt diese sieben Bitten, die Jesus selbst uns geschenkt hat. Ununterbrochen steigt das Vaterunser zu Gott auf. Menschen beten es gemeinsam oder allein, laut oder leise. Unser Erdball ist von diesem Gebet eingehüllt wie von der Atmosphäre, in der wir leben.
Wie oft hast du wohl schon das Vaterunser gebetet? Du wirst es nicht wissen. Aber vielleicht erinnerst du dich an die eine oder andere besondere Situation, in der dir dieses Gebet besonders wichtig war, als du froh warst, dass du es kannst. Nicht umsonst lernen auch heute noch die Kinder das Vaterunser vielleicht von der Mutter oder Oma, oder in einem christlichen Kindergarten, im Kindergottesdienst, im Religionsunterricht und im Konfirmandenunterricht. Es ist die eiserne Ration des Glaubens, die religiöse Grundausstattung für jeden, der Christsein will.
Das Vaterunser kannst du auch dann noch beten, wenn dir sonst die Worte fehlen, zum Beispiel am Sterbebett im Krankenhaus oder, wie am Freitag, bei der ökumenischen Trauerfeier im Kölner Dom für die Opfer des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen. Mit diesem Gebet erreichst du oft noch demenzkranke Menschen, die sonst kaum noch reagieren. Das Vaterunser gehört allen Christen, ob katholisch, evangelisch oder orthodox. Ob in Deutschland, oder Amerika oder Afrika. Wir beten es heute am Sonntagmorgen im Gottesdienst genauso wie die Christen unserer Partnergemeinde in Kilanya in Tansania.
Gestern hat meine Frau bei einer Taufe dieses Gebet mit den Taufgästen gebetet. Eine Stunde später hat sie es wieder gebetet bei der Beerdigung einer 32-jährigen Mutter aus Sommersdorf, die letzten Montag hier vor der Schule zusammengebrochen ist, als sie ihr Kind gebracht  hat. Einen Tag später war sie tot. Diese Schreckensnachricht hat unser kleines Dorf durchgeschüttelt. Auch wenn du sonst nicht mehr weißt, was du sagen sollst, mit diesem Gebet findest du Worte, die tragen und du lässt dem Tod nicht das letzte Wort.
Wenn ein Brautpaar zu mir zum Traugespräch kommt, sprechen wir darüber, wie gut es ist, zu Beginn des gemeinsamen Lebensweges gemeinsam und laut das Vaterunser zu beten, gemeinsam zu bitten: »Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern«. Denn vom täglichen Brot, von der Vergebung der Schuld und vom Verzeihen leben wir Menschen damals vor 2000 Jahren wie heute. Jesus selbst hat uns ja das Vater unser geschenkt. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sich dieses Gebet nicht abnutzt, sondern von jeder Generation zu jeder Zeit und in jedem Land immer wieder von neuem gebetet wird. So wie auch von uns heute im Lichtblickgottesdienst und wie in allen anderen Gottesdiensten, die Christen heute feiern.
Aber was genau beten wir mit dem Vaterunser? Ich will euch heute sagen, was mir bei diesem Gebet durch Kopf und Herz geht. Ich werde nicht über das Vaterunser sprechen, sondern es beten, so wie ich es verstehe. Vielleicht hilft das ja dem einen oder anderen hier, noch einmal neu über das Vaterunser nachzudenken und für sich selbst Einsichten zu gewinnen.
»Vater unser im Himmel« –
Wie gut, Gott, dass ich dich Vater nennen darf, mehr noch, dass du mein Vater bist. Du bist keine unpersönliche Macht oder Energie weit weg von uns Menschen. Ja, du bist der Schöpfer das Universums, aller Sterne und Planeten. Du hast auch diese kleine Erde geschaffen und alles was darauf lebt, auch mich. Obwohl du allmächtig bist, und nichts dich fassen kann, kein Geist, kein Himmel, willst du zu mir kleinem Menschen eine Beziehung haben. Das sagst und zeigst du mir durch Jesus, in dem du mir persönlich begegnest. Du bist im Himmel und bei mir auf der Erde. Wo ich auch bin, du bist da. Ich bin nicht allein.
»Geheiligt werde dein Name« –
Vor dir, dem Heiligen, erkenne ich, dass ich nicht so gelebt habe wie du es von mir erwartest und wie es mir gut tut. Du bist es, den ich ehre, dich allein. Du bist es, den ich respektiere, auf den ich höre, dem ich folge. Weil du mir heilig bist, habe ich Verantwortung vor dir für mich und meinen Mitmenschen, weiß ich was gut und böse ist.
»Dein Reich komme« –
Dein Reich, Vater, ist da, wo du herrscht. Wo Menschen zum Glauben kommen, kommt auch dein Reich. Aber ich will, dass du auch in mir herrscht. Lass mich in deinem Reich sein, wo du mein König bist und allein Macht hast über mich und meine Welt.
»Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden« –
Ja, mein Vater, dein Wille geschieht sowieso. Darum will ich mich nicht dagegen sträuben, wenn ich dich auch manchmal nicht verstehe. Gib mir die Bereitschaft und Kraft, deinen Willen für mich anzunehmen. Ich vertraue darauf, dass du weißt, was du willst und was gut für mich ist.
»Unser tägliches Brot gib uns heute« –
Vater, ich bitte dich nicht um die tägliche Sahnetorte, nicht um Luxus und Überfluss, aber um das, was meine Familie und ich zum täglichen Leben brauchen. Ich danke dir für den Wohlstand, in dem wir leben dürfen. Aber ich will nicht undankbar sein, wenn du ihn wieder nimmst, solange wir nur satt werden, ein Zuhause haben und in Frieden leben können.
»Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.« –
Vor dir erkenne ich, dass ich dir und meinen Mitmenschen und auch mir selbst vieles schuldig geblieben bin. Das tut mir leid und so bitte ich dich, mir zu vergeben, jeden Tag neu. Denn ich lebe nicht aus meiner Kraft, sondern aus deiner Vergebung.
Weil ich dies erkenne, will ich auch denen vergeben, die an mir schuldig geworden sind, so schwer mir das auch fällt. Doch ich weiß auch, dass ich selbst frei und heil werde von Groll und Hass, wenn ich verzeihe.
Vater, »führe uns nicht in Versuchung« –
Du weißt ja, wie klein meine Kraft ist, in den Anfechtungen dieses Lebens zu bestehen, in Krankheit und Not, in Leid und Einsamkeit, in Unglück und Streit. Führe mich nicht hinein in solche Anfechtungen. Doch wenn es denn sein soll, so gib mir die Kraft sie aus dem Glauben zu überwinden. Du weißt auch, wie groß die Versuchung ist, dass ich meine Bequemlichkeit nachgebe und mich darum drücke, die Herausforderungen im Leben anzunehmen, um an ihnen zu wachsen und zu reifen. Hilf mir, den Versuchungen zu widerstehen,  die mir meine Verantwortung vor dir für mich und meine Mitmenschen nehmen wollen, führe mich aus den Abhängigkeiten von Menschen und Dingen, Verhaltensweisen und schlechten Gewohnheiten, die mir nicht gut tun. Lass mich die Freiheit, die du mir gibst, recht gebrauchen, dass ich meine Würde als Mensch bewahre und dir Ehre mache.
»Vater, erlöse uns von dem Bösen« –
Wenn ich Menschen in die Hände falle, die es böse mit mir meinen, die mich ausnützen und betrügen, mich verachten und verleumden, mir den Frieden rauben oder ans Leben wollen - so erlöse mich von Ihnen. Erlöse mich aber auch von dem Bösen in mir, von meinen negativen und zerstörerischen Gefühlen und Gedanken, von meinen Aggressionen und aller Selbstgerechtigkeit, von meinen bösen Worten und da Taten.
»Denn dein ist das Reich« –
Ja, Vater, du regierst im Himmel und auf Erden, lass auch mich dein Reich sein und regiere mich nach deinem Willen. Regiere auch unsere Welt und wehre den Mächten der Finsternis.
»Denn dein ist die Kraft« –
Alle meine Kraft schöpfe ich aus deiner Kraft. Von dir kommt alle Energie, die ich brauche, von der ich lebe. Deine Kraft richtet mich wieder auf, wenn ich am Boden liege. Sie zerbricht die Fesseln des Todes und erweckt mich zum ewigen Leben.
»Und dein ist die Herrlichkeit« –
Nichts in meinem Leben, nichts auf dieser Erde ist so herrlich und wunderbar, dass ich es anbeten möchte. Nur du, Vater, bist vollkommen und herrlich, schön und prächtig in deinem Sohn Jesus Christus. Dich allein preise ich, dich loben wir gemeinsam in Ewigkeit. Amen

[die gehaltene Predigt weicht von der geschriebenen Fassung leicht ab]


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