Sonntag, 7. Dezember 2014

Hosianna und Jesus hl

207. Lichtblick am 7.12.2014. Adventspredigt von Hans Löhr

Liebe Freunde,

12. September 2014. Eine Musikgruppe der australischen Hillsong-Gemeinde gibt in Stuttgart in der Porsche Arena ein Konzert. Die Ränge der großen Halle sind dicht besetzt. In der Mitte der Arena stehen sie dicht an dicht – fast nur junge Leute zwischen 14 und 24. Das Licht geht aus, Schlagzeug, Gitarre und Bass setzen ein und nach ein paar Takten sind eine junge Frau: »Ich sehe den König der Ehren, er kommt auf den Wolken mit Feuer, die ganze Welt bebt: Ich sehe seine Liebe und Gnade, die meine Sünden wegwischt und die Menschen singen ‚Hosianna, Hosianna, Hosianna in der Höhe.« Und Tausende und mehr in der Halle singen mit ihr „Hosianna in der Höhe“. [YouTube-Video „Hillsong – Hosanna“ einspielen: Von 00:12 bis 01:50 laut. Dann leise bis 03:10]

Ein 14jähriger vor dem Grammophon

Ich war damals in Stuttgart vielleicht der älteste Konzertbesucher. Und trotzdem ging mir dieser Augenblick unter die Haut. Ich dachte an die Anfänge der Beat- und Rockmusik, die ich vor über 50 Jahren miterlebt hatte, wenn auch nur am Radio oder vor meinem Plattenspieler, einem Koffergrammophon, auf dem ich meine Singles abgespielt habe. Singles damals waren keine Menschen ohne Partner, sondern schwarze Scheiben aus Vinyl mit einem Loch in der Mitte und einem Song auf jeder Seite zum Preis von 4,50 DM Taschengeld. Inzwischen muss man das wohl erklären. Der Sound war jämmerlich. Doch vor dem Plattenspieler saß ein 14, 15-jähriger Hans und hat bei „I want to hold your hand“, bei „Pretty Woman“ und „Satisfaction“ alles vergessen, was in diesem Alter einem das Leben sauer machen kann: Hausaufgaben, Lehrer, Noten, Eltern.
Daran dachte ich in Stuttgart und an die großen Konzerte der Rolling Stones, die ich später in Fußballstadien besucht hatte, an Neil Young und Bob Dylan und wie sie alle heißen.
Mein Gott, wie weit weg von dir schien mir das damals zu sein, mein Gott. Und nun, in Stuttgart, tausende junge Menschen, die sich eine christliche Rockband aus Australien anhören und ihre Texte mitsingen: 'Hosanna, Hosianna in der Höhe!'.
Ehrlich gesagt, ich habe in diesem Moment ein Tempotaschentuch gebraucht und mir verstohlen das Wasser aus den Augen getupft. Die Rockmusik, die damals von den Eltern, Lehrern und Pfarrern so verteufelt wurde – und die ich gerade deshalb umso mehr liebte – die dient nun als Transportmittel, um die Glaubensbotschaft unter die Menschen zu bringen. Nicht nur seit Kurzem, inzwischen schon viele Jahre. Auch unsere Lichtblick-Band tut das. Und zu meinem Erstaunen sind es hier nicht nur die ganz Jungen, sondern auch die nicht mehr so ganz Jungen, von denen einer 91 Jahre ist. Und wenn ich die Älteren hier frage: Was gefällt euch am Lichtblick? Dann sagen viele: Die Musik.
Liebe Freunde, damals vor einem Vierteljahr in Stuttgart ist mir wieder mal klar geworden, dass Gott Sachen tun kann, die man für unmöglich hält.

Gottes Antwort

Hosianna heißt auf Deutsch: „Hilf doch!“ Damals wie heute sehnten sich Menschen danach, dass Gott ihnen helfen möge. Ich denke, jeder hier war schon in der Lage, wo er um Hilfe gebetet hatte. Oft beten wir so, wenn wir nicht mehr weiter wissen: „Hosianna – hilf doch!“ Und Gott antwortet auf alle diese Hilferufe, indem er es hat Advent werden lassen. Nein, das war keine clevere Geschäftsidee für die Kaufleute und Händler von heute. Das war die geniale Idee schlechthin. Denn da schickte Gott seinen Engel zu einem vielleicht 15-jährigen Mädchen namens Maria und ließ ihr sagen: „Du wirst einen Sohn bekommen und sollst ihn Jesus nennen!“ Jesus? Jesus! Das ist Gottes Antwort auf die zahllosen Hilferufe. Jesus? Warum Jesus? Weiß es jemand? Weil dieser Name auf Deutsch heißt „Gott hilft!“ Das ist mehr als ein vages Versprechen. Das ist eine deutliche Zusage. 'Jesus!', das ist Gottes Projekt hier bei uns auf der Erde.

Zurück in die Porsche-Arena von Stuttgart. Tausende sangen: „Hosianna, hilf doch!“ Und die Botschaft des Konzerts war dieselbe wie die eines jeden christlichen Gottesdienstes. Sie besteht aus nur einem einzigen Wort und heißt ‚Jesus!‘, auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘ Das ist die gute Botschaft. Das ist das Evangelium. Dafür sind wir hier dar, die Mitglieder der Band, der Technik, Raimund der Parkplatzeinweiser genauso wie die Frauen an der Kaffeemaschine und die Dietrichs am Büchertisch und Christa, die am Samstag mithilft, die Stühle hier aufzustellen und alle, die dann wieder beim Aufräumen helfen. Wir alle sind dazu da, ein jeder mit seiner Aufgabe, euch diese Botschaft zu sagen: ‚Gott hilft!‘ Du bist unglücklich in deiner Ehe? ‚Jesus!‘ -  auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘. Du machst dir Sorgen um dein Kind? ‚Jesus!‘ auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘. Du bist krank und möchtest gesund werden? ‚Jesus!‘. Das ist, - er ist Gottes Antwort.

Ein schlichter Glaube

Aber ist das nicht alles ein bisschen arg schlicht und einfach? Ja, so ist es. Der Glaube ist nicht kompliziert. Auch schlichte Gemüter, auch einfältige Menschen, auch Kinder sollen glauben können. Diejenigen, die damals Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem mit diesem Ruf „Hosianna“ begrüßt haben, wir haben es vorhin in der Lesung (Matthäus 21,1-11) gehört, und die ihn bis in den Tempel nachgelaufen sind und dabei immer weiter gerufen haben, waren zu einem großen Teil Kinder. Darüber haben sich damals die Pfarrer, Bischöfe, Theologieprofessoren und Priester mächtig aufgeregt.
‚Jesus!‘ oder ‚Gott hilft!‘ – Diese Botschaft, dieses Evangelium können auch die behinderten Kinder in den Förderschulen in Herrieden verstehen, in der Strobel-Schule und in der Wolfhard-Schule, wo unsere beiden Kirchenvorsteherinnen Johanna und Angela arbeiten. Warum nur wollen wir es komplizierter haben, wenn es doch auch einfach geht? Aber das ist ein anderes Thema.
Kürzlich habe ich im Krankenhaus einen ehemaligen Oberkirchenrat besucht. Vor 15 Jahren hatte er es verhindert, dass meine Frau und ich als Pfarrerehepaar in seinen Kirchenkreis gekommen sind. Er meinte, dass ich da zu viel Unruhe hineintragen würde. Na dann haben wir eben die Unruhe hierher gebracht, nach Sommersdorf, Burgoberbach und Thann. Ich sagte zu ihm: „Wissen Sie, damals haben Sie mich ziemlich verletzt. Aber jetzt kann ich sagen, Sie haben uns unbeabsichtigt einen Gefallen getan. Sonst wären wir jetzt nicht schon über 13 Jahre so gern in unserer Pfarrei. Ich denke, dass Gott da seine Hand im Spiel gehabt hat. Ich habe nämlich einen schlichten Glauben.“ Und darauf sagte der kranke Oberkirchenrat: „Ich auch.“ Und dann haben wir uns noch gut unterhalten, haben gebetet und uns zum Abschied die Hand zur Versöhnung gegeben. Ja, ich habe einen schlichten Glauben, und der Oberkirchenrat hat ihn, und einen solchen wünsche ich euch auch.
‚Hosianna, hilf doch!‘ -  ‚Jesus, Gott hilft!‘ Was soll man da noch grübeln und problematisieren? Ich finde, es ist einfach nur schön, in einem solchen schlichten Glauben durch gute und schlechte Zeiten zu gehen, geborgen im Vertrauen auf den Vater im Himmel.

Hilft denn Gott wirklich?

Aber hilft denn Gott wirklich? Hilft er immer? Haben nicht schon viele Menschen für einen Kranken gebetet: ‚Hosianna – hilf doch!‘ Und dann ist er doch nicht mehr gesund geworden?
Ja, so ist es. Der Preis dafür, dass du leben darfst, ist irgendwann der Tod. Vielleicht bald schon, vielleicht in den nächsten Monaten, vielleicht erst in Jahrzehnten. Aber irgendwann musst du sterben, auch wenn du noch so oft ‚Hosianna, hilf doch!‘ betest. Gilt dann noch die Zusage ‚Jesus!, Gott hilft!‘?
Liebe Freunde, vielleicht müssen wir zwar nicht komplizierter, aber größer, umfassender denken und glauben. Gott ist doch nicht nur für einzelne Ereignisse wie Krankheiten, Enttäuschungen und Sorgen zuständig, sondern auch für das große Ganze.
‚Jesus!, Gott hilft!‘ – Das gilt im Leben und im Sterben. Wir haben doch nicht so einen kleinen Glücksgott, der wie ein Talisman bei Prüfungen helfen soll. Unser Gott ist der König der Welt, der Schöpfer von Himmel und Erde, der Herr über Leben und Tod. An seinem Sohn ist deutlich geworden, was der Name ‚Jesus!‘ wirklich bedeutet. Kurz vor seiner Gefangennahme und Hinrichtung hat Jesus im Garten Gethsemane noch für sich gebetet: „Hosianna, hilf doch!“ – und hat dennoch am Kreuz sterben müssen und hat in den Händen seines himmlischen Vaters sein Leben ausgehaucht und ist in seinen Armen wieder aufgewacht und auferstanden zum Leben in Herrlichkeit.
Gott hilft auch dann noch, wenn wir davon nichts mehr mitkriegen und darum vielleicht nicht mehr glauben. Seine Hilfe ist umfassend, denn er kennt das Ganze, er ist das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Wer an ihn glaubt, der bleibt in seiner Liebe, der bleibt in seinen helfenden Händen, was auch immer geschieht.
Ob bei jenem Konzert in Stuttgart junge Leute von diesem Glauben ergriffen worden sind? Ich weiß es nicht. Gott verkündigt sein Evangelium auch durch Rockkonzerte und verändert das Leben von Menschen für immer.

Amen

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