Samstag, 17. Mai 2014

Gebet für Nazi-Regierung hl

Losung: Samuel sprach: Ihr habt zwar all das Unrecht getan; es sei aber ferne von mir, dass ich davon abließe, für euch zu beten.
1.Samuel 12,20.23

Lehrtext: Jeder Hohepriester kann mitfühlen mit denen, die unwissend sind und irren, weil er auch selber Schwachheit an sich trägt. Hebräer 5,2

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Theologiestudent und Vikar in Erlangen hatte ich einen väterlichen Freund, Pfarrer Karl Steinbauer, geboren 1906. Von ihm habe ich gelernt, die Bibel zu verstehen und auszulegen, mehr als von Professoren an der Universität. Im Nationalsozialismus gehörte er zu den wenigen Pfarrern, die sich den Mund nicht haben verbieten lassen und sich immer wieder öffentlich gegen das Unrecht der Nazis ausgesprochen haben. Dafür bekam er von seiner eigenen Kirche Predigtverbot. Dafür war er mehrmals im Konzentrationslager und wurde schließlich nur entlassen, weil er sich zum Kampfeinsatz in Russland bereit erklärte. Dort wurde er schwer verwundet. Wieder daheim, predigte er unverdrossen weiter. Das brachte ihn vor das Kriegsgericht, was normalerweise einem Todesurteil gleich kam. Wunderbarer Weise kam er mit dem Leben davon.
Nach Kriegsende war er Lagerpfarrer für die gefangenen Nazi-Funktionäre und politisch Verantwortlichen des Regimes. Denen, die sie darauf einließen, predigte er, las mit ihnen in der Bibel und schloss die Zusammenkünfte jedes Mal mit einem Gebet ab. Und dabei geschah etwas Einzigartiges und, wie viele meinen, Ungeheuerliches. Er betete für die Mitglieder der deutschen Regierung, die in Gefängnissen oder, wie in Nürnberg, in Todeszellen saßen. Hitler, Goebbels, Himmler und Bormann hatten sich da bereits umgebracht. Aber andere Minister, wie z.B. Graf Schwerin von Krosigk, Albert Speer oder Karl Dönitz, lebten noch. Es gab damals ja noch keine gewählte Nachfolgeregierung der Nazi-Diktatur.
Als Karl Steinbauer mir von seinen Gebeten für die Regierung erzählte, sah ich ihn mit großen Augen ungläubig an. Da wies er mich auf die heutige Tageslosung hin: Samuel sprach: Ihr habt zwar all das Unrecht getan; es sei aber ferne von mir, dass ich davon abließe, für euch zu beten. 1.Samuel 12,20.23. Möglicherweise war er der einzige in ganz Deutschland und auch in seiner Kirche, der das tat, der die Bibel auch in diesem Punkt ernst nahm und sich nicht darum scherte, was andere Menschen dazu dachten.
Den Lehrtext muss man in einem anderen Zusammenhang sehen. Die Nazi-Führer waren ja nicht Unwissende und Irrende. Sie haben das ganze Unheil bewusst geplant und durchgeführt, gnadenlos und bis zum letzten Blutstropfen. Aber jeder von uns, egal ob gläubig oder nicht, ist in mancherlei Hinsicht ein Unwissender und irrt. Wir sind darauf angewiesen, uns gegenseitig zu vergeben und müssen (!) das auch tun, denn keiner, der einen anderen wegen seines Unrechts anklagt, ist selbst frei von Unwissenheit, Irrtum und Schuld. Gerechtigkeit braucht auch Mitgefühl. Selbstgerechtigkeit braucht das nicht.

Gebet: Herr Jesus Christus, du hast Mitgefühl mit mir, weil du auch mein Innerstes kennst und damit auch meine Grenzen und Schwächen. Du verfolgst mich nicht wegen meine Fehler und Schuld. Du nimmst sie mir ab und gibst mir wieder eine neue Chance. Gib mir auch ein mitfühlendes Herz, damit ich bereit bin, für die zu beten, mit denen ich Probleme habe. Amen

Herzliche Grüße und ein gesegnetes Wochenende

Hans Löhr 

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