Sonntag, 9. März 2014

nichtsdestoweniger glauben hl

Predigt von Hans Löhr am Sonntag Invokavit

Bibelwort: »Wer standhaft bleibt, wenn sein Glaube auf die Probe gestellt wird, wird mit dem Siegeskranz des ewigen Lebens gekrönt. Das hat Gott allen versprochen, die ihn lieben.« Jakobus 1, 12

Liebe Gemeinde,

bist du schon mal an deinem Gott irre geworden? Und was war es, das deinen Glauben erschüttert hat? Manche sagen: Die Naturwissenschaften haben mich vom Glauben abgebracht. Die Vernunft spricht einfach dagegen. Das mag sein. Aber was ist das dann für ein Glaube, für ein Gottvertrauen, das sich durch Bedenken erschüttern lässt? Andere sagen: Das Verhalten der Kirche oder von einzelnen Pfarrern habe sie dem Glauben entfremdet. Aber was ist das für ein Glaube, für ein Gottvertrauen, das durch das Fehlverhalten von Menschen zerstört werden kann? Wieder andere sagen: Das Leid, das ich selbst erlebt habe oder das anderen widerfahren ist, hat meinen Glauben und mein Gottvertrauen erschüttert. Jetzt sind wir beim Kern. Ja, der Glaube kann durch Erfahrungen und Erlebnisse, die du mit Gott nicht mehr zusammenbringen kannst, auf eine harte Probe gestellt werden.
Und dazu gehört vor allem das Leid. Es genügt schon, dass du aus den Nachrichten erfährst, wie Kinder unschuldig leiden und sterben müssen unter der Gewalt von Erwachsenen, unter ihren Kriegen, unter Missbrauch oder bei Naturkatastrophen. Wenn ich davon in der Zeitung lese, was hilflosen Kindern angetan wird, werde ich nicht nur zornig. Das ficht meinen Glauben an und erschüttert mein Gottvertrauen.
Aber noch viel mehr wird dessen Glaube bis in die Grundfesten erschüttert, der sein eigenes Kind verliert, egal wodurch und in welchem Alter. So stelle ich mir das zumindest vor. Ich selbst bin von einer solchen Erfahrung bisher Gott sei Dank verschont worden und ich hoffe inständig, dass ich sie nie machen muss.
Doch dein Glaube wird auch auf die Probe gestellt, wenn du vom Arzt eine schlechte Nachricht bekommst und weißt, dass deine Krankheit nicht mehr heilbar ist. Glaubenskrisen stellen sich oft dann ein, wenn wir etwas verlieren, was uns lieb und teuer ist: den Partner, den Arbeitsplatz, das Zuhause, die wirtschaftliche Sicherheit, die Gesundheit und das Leben. Dann beginnen bei vielen die Zweifel: „Was ist nun mit dem lieben Gott? Warum lässt er das zu? Warum gerade ich?“
Wer von uns hat schon einen Glauben wie Hiob aus der Bibel, der alles verliert: seine ganze Familie, seinen ganzen Besitz, seine Gesundheit und der dennoch in seinem Leid sagt: »Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt!«? Wer kann schon, wenn‘s ans eigene Leben geht, beten wie Dietrich Bonhoeffer in der Todeszelle der Nationalsozialisten: »Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern, aus deiner guten und geliebten Hand.« Und wer kann wie Jesus im Garten Gethsemane beten, den Tod vor Augen: »Ich hab Angst, Vater, ich will nicht sterben. Wenn du mir das ersparen kannst, dann tue es bitte. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst!« Wir beten zwar immer wieder: »Vater unser im Himmel, dein Wille geschehe!« Aber meinen wir das wirklich so?
Vielleicht gibt es solche Menschen auch unter uns, die so unerschütterlich in ihrem Glauben sind und ähnlich beten können. Ich traue mich das von mir nicht zu behaupten. Ja, in den bisherigen Krisen meines Lebens habe ich Gott mehr gesucht als sonst. Aber werde ich das auch tun, wenn es um mein Leben geht oder um das meiner Kinder? Werde ich auch dann noch an Gott festhalten, wenn ich alles verliere, woran mein Herz hängt? Ich hoffe es, aber ich weiß es nicht.
Doch ich kann mich auf schwere Krisen seelisch vorbereiten. Ich kann mir die Glaubenserfahrungen anderer zu eigen machen, die ein hartes Schicksal erlitten haben. Solche Erfahrungen sind vor allem in unseren Gesangbuchliedern enthalten. Da heißt es unter anderem: »Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht. Größer als der Helfer ist die Not ja nicht.« (EG 596) Oder: »Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht.« (EG 376) Oder »Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir. Wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür. Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.« (EG 85)
Als Konfirmand habe ich gestöhnt, dass ich solche Verse auswendig lernen musste. Sie hatten mit meiner damaligen Lebenswirklichkeit nichts zu tun. Und ich hätte sie wohl wieder vergessen, wenn ich sie zwischenzeitlich nicht in den Gottesdiensten und bei Trauerfeiern immer wieder gesungen hätte. Jetzt sind sie wie ein Geländer, an dem mein wankender Glaube in Krisenzeiten Halt findet. Ich denke, dass es vielen von euch hier ähnlich geht. Darum kommen wir ja immer wieder im Gottesdienst zusammen, um uns hier unseres Glaubens zu vergewissern und uns von Gott stärken zu lassen. Ganz für dich allein kannst du den Glauben nicht bewahren. Du brauchst die Gemeinschaft anderer, die mit dir zusammen glauben. Die mit dir im Gottesdienst singen und beten und immer wieder neue auf Gottes Wort aus der Bibel hören.
Auch Martin Luther wurde in seinem Glauben immer wieder mal angefochten. So hat er sich sein persönliches Glaubensbekenntnis aufgeschrieben, um es in seelischen Notfälle zur Hand zu haben. Darin heißt es:
»Ich wage und setze mein Vertrauen allein in den unsichtbaren, unbegreiflichen, einzigen Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat und allein über alles Geschaffene herrscht. …
·      Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch von allen Menschen verlassen oder verfolgt wäre.
·      Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch arm, unverständig, ungebildet und verachtet bin oder nichts besitze.
·      Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch ein Sünder bin.
Ich vertraue beständig auf ihn, wie lange er auch auf sich warten lässt.
Weil er denn Gott ist, so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste machen soll.
Und weil ich daran nicht zweifle und setze mein Vertrauen auf ihn,
so bin ich gewiss sein Kind … und mir wird geschehen, wie ich glaube.«
Ja, manchmal muss man gegen die eigenen Erfahrungen anglauben und wie Martin Luther sagen: Wie auch immer die Umstände sind,»ich glaube nichtsdestoweniger« oder wie Asaf im Psalm 73 betet: Was auch geschehen ist, »dennoch – dennoch bleibe ich stets an dir, denn du, Gott, hältst mich bei meiner rechten Hand. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.«
An solchen Worten halte ich mich fest, hält sich mein Glaube fest, wenn es schwierig wird. Da muss ich nicht selbst etwas erfinden. Da kann ich mir den Glauben anderer leihen und mir ihre Sätze zu eigen machen. An solchen und ähnlichen Worten haben sich auch unsere Vorfahren festgehalten, die vor 300 Jahren um ihres Glaubens willen verfolgt und aus ihrer Heimat im Salzburger Land vertrieben worden sind. Als sie in unserer Dörfer kamen, hatten sie nichts weiter als ihren Glauben an Jesus Christus. Der gab ihnen Kraft, hier in Franken ein neues Leben zu beginnen.
Und darum ist das die biblische Botschaft für den heutigen Tag und die neue Woche: Lasst uns, liebe Freunde, unter allen Umständen an unserem Gott und Herrn festhalten. Wir haben sonst niemand, der uns auch im tiefsten Leid sucht, findet und hält. Der uns den »Siegeskranz des ewigen Lebens« gibt, wenn alles vorbei ist. Unser Glaube wird in diesem Leben immer wieder mal auf eine harte Probe gestellt und erschüttert. Darauf muss ich mich einstellen. Aber ich kann jetzt schon sagen:
Gebet: »Herr, du siehst doch, wie zerbrechlich mein Glaube ist. Darum stärke mich. Mach mich gewiss, dass auch mein Kleinglaube, meine Zweifel, meine Angst mich nicht von dir trennen können. Denn deine Liebe ist stärker als mein Glaube. Das hilft mir, standhaft zu bleiben in meinen Krisen und Anfechtungen. Das gibt mir neue Kraft. Amen«

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