Sonntag, 19. August 2012

Heimat für die Seele - Kirchweihpredigt hl

in der Peterskirche Thann am 19.8.2012. 
Predigttext: Psalm 24,4-8

Liebe Gemeinde,

weil Kirchweih ist, beginnt die Predigt heute etwas lockerer:
Gestern beim Abendessen im Kirchweihzelt habe ich ein alkoholfreies Bier getrunken. Zu meinem Banknachbarn sagte ich, dass ich auf das gute Kirchweihbier verzichten müsse, weil ich noch die Predigt zu schreiben habe. „Naja“, sagte dieser, „morgen werden wir es nach der Predigt wissen, ob‘s nicht vielleicht doch g‘scheiter g‘wesen wär, wenn Sie gleich richtiges Bier getrunken hätten.“
Ja, so sind's, die Thanner. Immer „grad naus“. In dem Fall war's allerdings ein Winkler.

Dafür wird‘s jetzt sachlich. In der letzten Zeit habe ich gehört, dass ein paar aus unserer Gemeinde gebrozzelt haben, weil in der Peterskirche schon länger kein Gottesdienst mehr gewesen sei. Für die Gäste aus dem Erzgebirge unter uns: Brozzeln heißt auf Sächsisch soviel wie nährschln. Nun, ich könnte das jetzt lang und breit begründen, warum das mit den Gottesdiensten so war und fragen, warum man es von Thann aus nicht über die Altmühl schafft, um die vielen Gottesdienste, die in der Zwischenzeit in Burgoberbach, in Sommersdorf und letzten Sonntag im Kirchweihzelt in Niederoberbach gefeiert wurden, zu besuchen. Aber erstens stimmt das gar nicht. Vor einer Woche habe ich durchaus einige aus der Thanner Gemeinde in Niederoberbach gesehen. Und zum anderen freut mich dieses Brozzln sogar. Zeigt es doch, dass es nach wie vor Leute in unserer Gemeinde gibt, die ihre Peterskirche lieben und am liebsten hier den Gottesdienst besuchen. Und dafür haben sie durchaus verständliche Gründe.

Ein wichtiger Grund ist, dass der Glaube einen festen und vertrauten Ort braucht, an dem er gelebt werden kann. Natürlich kann man überall an Gott glauben, sogar im Erzgebirge. Aber wir Menschen sind Gewohnheitstiere und haben nun mal unsere Lieblingsplätze, die wir für bestimmte Dinge immer wieder aufsuchen.
Und so ein Lieblingsplatz zum Gottesdienst-feiern, zum Singen und Beten war zur Zeit der Bibel der Tempel in Jerusalem. Da heißt es im Psalm 27:  
Um eines habe ich den Herrn gebeten; das ist alles, was ich will: Solange ich lebe, möchte ich im Hause des Herrn bleiben. Dort will ich erfahren, wie gut der Herr es mit mir meint, still nachdenken im heiligen Zelt.
Er bietet mir Schutz in schwerer Zeit ... In seinem Tempel will ich Opfer bringen, und die Posaunen sollen blasen; dankbar will ich für den Herrn singen ...
Höre mich, Herr, wenn ich rufe! Hab Erbarmen mit mir und antworte! Denn ich erinnere mich, dass du gesagt hast: "Suchet meine Nähe!" Das will ich jetzt tun und zu dir beten.
Was für die Gläubigen in der Bibel der Tempel in Jerusalem war, ist für die Christen aus Thann und den umliegenden Dörfern die Peterskirche. Sie ist euer Lieblingsplatz zum Singen und Beten. Anders gesagt, auch die Seele braucht Heimat. Und eure Seelen fühlen sich hier daheim. Dahoam is dahoam. Das gilt auch für die Kirche in Thann.

Hierher tragt ihr die Dinge, die ihr auf dem Herzen habt, um sie im Gebet vor Gott zu bringen. Und das haben auch schon eure Eltern so getan und eure Großeltern und Urgroßeltern und all die vielen, die in der Vergangenheit hier gelebt haben, die auf dem Friedhof nebenan begraben sind, auch die, die im 18. Jahrhundert diese Kirche hier neu aufgebaut und im Jahre 1766 geweiht haben.

Sie alle und auch ihr seid mit euren Gebeten gekommen. Habt Gott eure Bitten vorgetragen. Habt ihm euer Leid geklagt. Habt ihm danke gesagt und habt ihn mit euren Liedern gelobt.
Hier haben vor bald 70 und mehr Jahren Frauen und Mütter Gott ihr Leid geklagt, weil der Sohn oder der Mann gefallen ist. Hier haben Bauern um Regen gebetet. Hier haben Männer Gott gebeten, dass sie wieder eine Arbeit finden. Hier haben Omas für ihre Enkel gebetet, dass ihnen auf der Straße nichts passiert. Landwirte haben gebetet, dass sie den Betrieb durchbringen. Junge Ehefrauen haben Gott ihr Leid geklagt, weil es mit den Schwiegereltern so viele Probleme gibt. Väter haben dafür gebetet, dass die kranken Kinder wieder gesund werden. Frauen haben gebetet, dass ihre Männer mit dem Trinken aufhören, und Männer, dass ihre Frauen wieder zurückkommen. Im Krieg wurde hier um Frieden gebetet und in den Hungerzeiten um Brot. Und noch viel mehr Bitten und Klagen, die ich nicht aufzählen kann, wurden in dieser Kirche im Lauf der Jahrhunderte vor Gott gebracht. Ihr selbst wisst ja am besten, welche Lasten, die euch auf der Seele lagen, ihr hierher geschleppt habt. Und auch heute Morgen ist der eine oder der andere von uns mit einem schweren Herzen hergekommen, um bei Gott Trost und Hilfe zu suchen.

Doch hier, in dieser Kirche, haben Menschen seit Jahrhunderten Gott auch gedankt. Sie dankten, dass er ihre Gebete erhört hat. Wenn jemand zum ersten Mal nach längerer Krankheit wieder den Gottesdienst besuchen konnte, hat er gedankt. Und Eltern, die ihre Kinder zur Taufe gebracht haben, haben Gott danke gesagt, wenn es mit der Geburt gut gegangen ist und das Kind gesund war. Jubilare haben anlässlich ihrer Goldenen Konfirmation oder Goldenen Hochzeit hier danke gesagt, dass Gott sie bisher gebracht hat. Ganze Familien haben gedankt, wenn der Sohn oder Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekommen ist. An zahllosen Erntedankfesten haben die Bauern hier für Gottes Segen auf den Äckern und in den Ställen gedankt. Junge Leute haben danke gesagt, wenn sie eine schwere Prüfung bestanden haben. Großeltern haben gedankt, dass sie gesunde Kinder und Enkel haben. Andere haben gesagt „Danke lieber Gott, dass ich den Unfall überlebt habe“. Und immer wieder haben Menschen gedankt, dass sie den neuen Tag erleben durften und genug Kraft hatten, auch das Schwere zu tragen und die Herausforderungen anzunehmen.

Stellen wir uns doch mal vor, was die vielen Menschen, die in dieses Gotteshaus gekommen sind, hier alles hereingebracht haben. Sie würden das nicht getan haben, wenn sie nicht manche Sorgen hier hätten abladen können und dafür inneren Frieden, Trost, Kraft und Zuversicht mit nach Hause genommen hätten.

Ich bitte euch, jetzt einmal ein paar Augenblicke innezuhalten und in der Stille darüber nachzudenken, was jeder von euch in dieser Kirche schon erlebt hat, was dieses Gotteshaus für dich bedeutet, warum du immer wieder hierherkommst.
--- Stille---
Vielleicht kannst du dir jetzt auch diese Worte aus dem Psalm 27 zu eigen machen, wo es heißt: Um eines habe ich den Herrn gebeten; das ist alles, was ich will: Solange ich lebe, möchte ich im Hause des Herrn bleiben. Dort will ich erfahren, wie gut der Herr es mit mir meint, still nachdenken im heiligen Zelt. 

Ja, der Herr hat es auch mit deinen Vorfahren, die hierhergekommen sind, gut gemeint. Und er meint es heute auch gut mit dir. Es lohnt sich für dich, darüber immer wieder einmal still nachzudenken und dankbar zu werden.

Wohin sonst als in die Kirche willst du denn dein Leid und deine Freude, dein Lob und deine Klage, deine Bitten und deinen Dank tragen? Das macht doch die Gottesdienste hier aus, dass du da nicht allein bist, sondern dass andere mit dir ebenfalls Gott bitten und ihm danken. Hier singen wir ihm gemeinsam unsere Loblieder. Hier bitten wir gemeinsam im Vaterunser: Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und manchmal bitten wir ihn auch unter Tränen: „Dein Wille geschehe“, wenn wir mit unserem am Ende sind und nicht mehr weiter wissen. Und wer von uns hätte denn schon immer aus eigener Klugheit weitergewusst?
Hierher bringen wir unsere Kinder zur Taufe und heißen sie im Leben willkommen. Hier nehmen wir Abschied von unseren Toten und klagen Gott unseren Schmerz. Hier werden die Konfirmanden gesegnet. Hier haben sich schon viele vor dem Altar Liebe und Treue versprochen. Hier haben wir die Sünden bekannt und wurden sie uns um Jesus Christus willen vergeben. Hier wurden wir gestärkt mit seinem Brot des Lebens und mit dem Wein der Versöhnung. Hier wurde schon manche Träne geweint. Hier haben wir Weihnachten gefeiert, die Geburt unsres Heilands, und Ostern, die Auferstehung unsres Herrn, und immer wieder Erntedank. Wo sonst sollen wir denn das alles tun? Im Wald? Im Wirtshaus? Daheim vor dem Fernseher? Nein, wir brauchen unsere Kirche. Und wenn wir heute sagen würden, wir reißen morgen die Peterskirche ab, dann würden selbst die protestieren, die nicht oder nur sehr selten herkommen.
Und so will ich zum Schluss noch einmal mit den Worten des 27. Psalms beten und sagen:
Um eines habe ich den Herrn gebeten; das ist alles, was ich will: Solange ich lebe, möchte ich im Hause des Herrn bleiben. Dort will ich erfahren, wie gut der Herr es mit mir meint, still nachdenken im heiligen Zelt. Er bietet mir Schutz in schwerer Zeit … In seinem Tempel will ich Opfer bringen, und die Posaunen sollen blasen; dankbar will ich für den Herrn singen … Höre mich, Herr, wenn ich rufe! Hab Erbarmen mit mir und antworte!
Denn ich erinnere mich, dass du gesagt hast: "Suchet meine Nähe!" Das will ich jetzt tun und zu dir beten:
Danke, Gott, dass du unseren Vorfahren den Glauben, den Willen und die Kraft gegeben hast, diese Kirche zu bauen, damit auch wir und unsere Nachkommen hier eine geistliche Heimat haben. Amen

Hans Löhr 

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